Dienstag, 8. März 2011

Berufsreife

Mit Ende der Ausbildung muss der junge Erwachsene die zweite Schwelle, also den Übergang von der Ausbildung in die Berufstätigkeit meistern. Die Ausbildung soll die Auszubildenden auf die Anforderungen die ein Berufsbild stellt vorbereiten. Dazu ist es notwendig, neben reinen fachbezogenen Kompetenzen ein Bündel an weiteren Eigenschaften zu entwickeln. Diese Eigenschaften beinhalten unter anderem das Verständnis für die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens und erfordern eine Lernfähigkeit und Lernbereitschaft über das gesamte Erwerbsleben. Dies ist durch den Anpassungsdruck der Unternehmen impliziert, der sich auf die Mitarbeiter - die sozusagen untereinander im Wettbewerb stehen - überträgt. Die kürzeren Produktlebenszyklen in der schnelllebigen, technisierten Welt bewirken einen stetig schnelleren technischen Fortschritt, der sich durch sich ändernde Anforderungen an Arbeits- und Qualifikationsinhalte bemerkbar macht.(vgl. Hansjosten 2000, S. 61) Dadurch ist auch begründet, warum es zukünftig keine klassischen Dauerberufe mehr geben wird. Manche Berufsbilder gibt es nur wenige Jahre lang. Ein Beispiel dazu ist der Beruf Kommunikationselektroniker/in in verschiedenen Fachrichtungen. Er überdauerte einen Zeitraum von 1987 bis 2003 und wurde dann durch einen neuen Beruf mit passenderen Inhalten ersetzt. Auch wandeln sich Berufsbilder mit gleichem Namen im Laufe der Zeit. Dies geschieht durch Neuordnungen der Verordnung über die Berufsausbildung. (vgl. dazu BiBB Online-Artikel 2011, "Neue und modernisierte Berufe") Hansjosten bezeichnet das Bündel an Eigenschaften, welche notwendig sind um die Entwicklungsdynamik der Anforderungen abzufedern, als Qualifikationscollage. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von "Meta-Kompetenzen, die durch Verallgemeinerbarkeit ein geringes Obsoleszensrisiko aufweisen" (Hansjosten 2000, S. 62). Das ist schlüssig, denn Lernfähigkeit in der besonderen Ausprägung der fachübergreifenden Lernfähigkeit (z.B. Führungskompetenz, Kommunikationskompetenz, Teamfähigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflektion, souveränes agieren in Netzwerken, prozessuales und ganzheitliches Denken, Fähigkeit Veränderungsprozesse anzustoßen, ...) besitzt besondere Eigenschaften: Sie veraltet nicht in der Geschwindigkeit wie technisches Fachwissen und befähigt gleichzeitig dazu, offen zu sein für Neuerungen und den permanenten Wandel im Kontext des schnellen technologischen Fortschritts.
Unter dem Begriff "Berufsreife" verbirgt sich also die Menge an entwickelten Meta-Kompetenzen die notwendig ist, um sich wandelnde Berufsanforderungen - im Laufe des Erwerbslebens - erfolgreich zu managen. Als Ziel der dualen Ausbildung und der akademischen, berufsqualifizierenden Ausbildung, besonders im Rahmen eines dualen Studiums, sollten neben den fachlichen Inhalten auch diese Meta-Kompetenzen gezielt entwickelt werden. Dann sollte ein Großteil der jungen Fachkräfte den Ansprüchen des modernen Arbeitsmarktes genügen. Weiterhin kann damit gerechnet werden, dass im Anschluss an die Erstausbildung relativ problemlos eine adäquate Tätigkeit  zu finden sein wird. 

Literatur

BIBB Online-Artikel "Neue und modernisierte Berufe“ – Übersicht über die Neuordnungsarbeit des BiBB. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2011). Abgerufen am 14.01.2011


Hansjosten, Heiko: Lohnt sich die betriebliche Ausbildung? Hampp, Mering, 7
2000, 317 Seiten, ISBN 9783879884896

Montag, 7. März 2011

Ausbildungsreife

Die Überschrift könnte genauso gut lauten: Was erwartet die Wirtschaft von Bewerbern um einen Ausbildungsplatz? Dies kann nicht anhand der formalen Schulabschlüsse der Ausbildungsplatzbewerber festgemacht werden, denn diese sind im gesamtdeutschen Kontext, im Verlauf der Jahre hochwertiger geworden. Hammel  stellte fest, dass es keine allgemeingültige Definition zur Ausbildungsreife gibt und führt zahlreiche Publikationen an, die diese These belegen (vgl. Hammel 2009, S. 18). Ein Konsens unter Fachleuten besteht aber darin, dass unter Ausbildungsreife die Summe der Fähigkeiten und das allgemeine Werte- und Anstandsniveau gemeint ist, über welches Jugendliche zu Beginn einer Berufsausbildung verfügen sollen. Ausdrücklich nicht gemeint sind die während der Ausbildung zu erwerbenden und als Lernziel im Ausbildungsrahmenplan bzw. dessen Anlagen definierten Fähigkeiten. (vgl. Kloas 2006, S. 102)  Dies impliziert, dass die Ausbildungsreife berufsabhängig anders belegt sein kann. Im Allgemeinen wird der berufsbildabhängige Teil der Ausbildungsreife mit den Schlagwörtern Ausbildungsfähigkeit und/ oder Berufseignung überschrieben. Leider werden die drei Begriffe - fälschlicherweise - oft synonym verwendet, obwohl sie jeweils andere Dimensionen beschreiben. Verallgemeinert betrachtet gibt es eine hohe Schnittmenge an Basisanforderungen, die über alle Berufsgruppen gleich ist. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat - in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen - im Rahmen des Nationalen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland einen Kriterienkatalog erarbeitet, der diese zentralen Basisfähigkeiten der Ausbildungsreife in verschiedenen Dimensionen darstellt und Indikatoren zur Messung benennt. (vgl. BA Publikation 2009, S. 20f.)


  • Schulische Basiskenntnisse (Recht)Schreiben, Lesen, mit Texten und Medien umgehen, Sprechen und Zuhören, Mathematische Grundkenntnisse, Wirtschaftliche Grundkenntnisse
  • Psychologische Leistungsmerkmale Sprachbeherrschung, Rechnerisches Denken, Logisches Denken, Räumliches Vorstellungsvermögen, Merkfähigkeit, Bearbeitungsgeschwindigkeit, Befähigung zu Daueraufmerksamkeit
  • Physische Merkmale Altersgerechter Entwicklungsstand und gesundheitliche Voraussetzungen
  • Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Selbstorganisation/ Selbstständigkeit, Sorgfalt, Teamfähigkeit, Umgangsformen, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit
  • Berufswahlfähigkeit Selbsteinschätzungs- und Informationskompetenz

Wenn man diese Kriterien anhand der gegebenen Indikatoren operationalisiert, kann im Auswahlprozess der Auszubildenden eine objektive Beurteilung von Basisfertigkeiten erfolgen. Beachtet werden muss aber, dass sich gerade Jugendliche und jungen Erwachsene in einer schnellen Entwicklungsdynamik befinden. Dies ist ein Kritikpunkt an dem Modell der statischen Ermittlung der Ausbildungsreife, der beachtet werden sollte.(vgl. Hammel 2009, S. 22)




Literatur


BA Publikation – "Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife" (Internetversion). Hrsg.: Bundesagentur für Arbeit (BA), Nürnberg (2009). Abgerufen am 05.02.2011.
http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroeffentlichungen/Ausbildung/Kriterienkatalog-zur-Ausbildungsreife.pdf



Hammel, Petra: Mangelnde Ausbildungsreife bei Jugendlichen - Alarmsignal oder Ablenkungsmanöver? Eine kritische Auseinandersetzung über Definition, Sichtweisen und mögliche Wege durch Berufsvorbereitung. 1. Auflage. Diplomica Verlag, 8 2009, 78 Seiten, ISBN 9783836669894


Kloas, Peter-Werner: Ausbildungsreife – im Urteil von Fachleuten. in Berufliche
Rehabilitation, 20 2006, 101–109, ISSN 0931–8895